Samstag, 7. Februar 2015
Cu Chi Tunnel, Mekong Delta und Saigon
29. Januar
Mein Bus aus Mui Ne hält am späten Nachmittag im Backpacker-Viertel von Saigon. Habe mein Hotel aber in "etwas besserer" Lage gebucht und muss ein Taxi nehmen. Nach 40 Dong inklusive Tipp - rund 2 $ - bin ich auf meinem Zimmer in der Ly Tu Trong Road. Benannt nach einem Piloten aus Nordvietnam, der sich 1974 in die südliche Airforce einschmuggelte. Und dann den Regierungspalast bombardierte, bevor er seine Maschine auf einer vom Vietcong präparierten Lehmpiste landete und entkam.
Ich setze mich in ein kleines Café nebenan. Café Latte und Passion Cheesecake entschädigen mich für das entgangene Lunch. Von den Touris am Nebentisch erfahre ich, dass 2 Tage Mekongdelta mehr als genug seien. Und dass ich mir unbedingt die Cu Chi Tunnels ansehen müsse. Jenes Untergrund Labyrinth - das die Amis vor gut 40 Jahren zur Verzweiflung brachte. Weil sie nicht verstehen konnten, wie der Vietcong immer wieder ungesehen in unmittelbarer Nähe ihrer Stützpunkte auftauchte. So ähnlich muss das damals ausgesehen haben.

Am nächsten Tag sitze ich dann im Bus gen Westen und folge den Touristenströmen in den Dschungel. Wer die gut getarnten Einstiege sieht, kann nachvollziehen, dass der "Vietnamurlaub" der GI's damals nicht ganz so lustig war. Zumal es so schon schwierig war, Freund von Feind, Reisbauer von Vietcong zu unterscheiden.

An einem für uns Touris etwas "erweiterten" Tunnel darf man sich in die Unterwelt begeben. Sofern man weder herzkrank ist noch Probleme mit der Lunge hat. Habe ich nicht bzw. gebe es nicht zu. Und folge einem lokalen Führer 60 Meter durch die Unterwelt. Es ist stickig unten, eng und dunkel. Nach gefühlten 100 Metern - auf etwa halber Stecke - bereue ich meinen "Mut". In stark gebückter Haltung fällt das Atmen richtig schwer. Und noch kein Licht am Ende des Tunnels. Stattdessen biegt der Guide nach links unten ab - ich folge seiner Lampe über ein paar Stufen in die 2. Etage nach unten. Rutsche auf Knien weiter und ringe nach Atem. Kaum zu glauben, dass die Vietcong in dem über 200km langen Tunnelsystem am Tag oft 10 und mehr Kilometer "unter Tage" zurückgelegt haben, um im Schutz der Dunkelheit im Rücken des Feindes "aus dem Nichts" auftauchen zu können.


Alles in allem ein unnötiger Krieg. Über eine Million Tote. Darunter fast 100.000 junge Amerikaner. In einem "Urlaubsparadies" fern der Heimat. In dem heute Koexistenz herrscht zwischen Kommunismus und Kapitalismus. Und in dem neben der Landeswährung problemlos mit US-Dollar bezahlt werden kann.

Am Abend ein riesiges Aufgebot an Motorbikes rund um die Oper. Fernsehkameras, Scheinwerfer, roter Teppich. Ich geselle mich unters Volk und erfahre, daß die zumindest in Vietnam bekannte Violinistin Phi Nhung ein Konzert gibt.

Pünktlich um 20:15 geht es los. Der Auftritt wird auf Großleinwand nach draußen übertragen.
Ein kostenloses Ereignis für hunderte junge Schaulustige, die sich ein Ticket nicht leisten können.

Die Lady rockt die Saiten nach allen Regeln der Kunst - umringt von jungen Tänzern. Die Zuschauermasse vor der Oper rockt mit und konsumiert mitgebrachten Alkohol.

Ich werde eingeladen. Trinke einen Becher "Irgendwas". Werde mit Chips gefüttert. Dann siegt der Hunger über den Kunstgenuss und ich verdrücke mich in ein nettes Restaurant neben der Oper. Soll ja nicht so spät werden heute. Morgen früh werde ich um 7 abgeholt zur 2 Tage-Tour in den Mekong-Delta. Und muss vorher noch packen und auschecken...!

Mitten "in der Nacht" klingelt der Wecker. Duschen. Packen. Checkout. Frühstück. Vor allem viel trinken. Denn der Bus wird an die 4 Stunden brauchen, bis wir im Delta sind. Es geht pünktlich los. In My Tho wechseln wir auf ein Boot. Lassen uns übersetzten zum Unicorn-Island. Mit obligatorischem Stop auf einer Bienenfarm. Mehr Souveniers als Bienen. Die Tasse Tee mit Honig und Lemonensaft schmeckt teuflisch gut. Würde ja gerne eine Flasche voll mitnehmen, aber mein Rucksack platzt bereits aus allen Nähten.

In Vierergruppen durchqueren wir in kleinen Booten die Insel.

Angetrieben von kräftigen Frauenarmen.

Ganz zufällig endet die Fahrt vor einem weiteren Souveniershop. Da ich aus Mangel an Platz im Gepäck wieder nichts kaufen kann, will man mir für die Wartezeit eine Hängematte vermieten. Ganz schon geschäftstüchtig, die Schlitzaugen :-). Nach einem kurzen Fußmarsch erreichen wir ein schönes Restaurant. Hätte nicht gedacht, dass mit dem Mittagessen der Höhepunkt des Tages nahen sollte. Acht verschiedene Speisen, darunter ein großer gebackener "Elephant Ear Fisch", gedünsteter

Baracuda und ein Seafood Hotpot. Unter meinen fünf "Mitessern" ein Vegetarier und zwei, die keinen Fisch mögen. Herrlich. Die Stunde zur freien Gestaltung nach dem Essen gestalte ich in einer Hängematte am Pier.

Am Nachmittag geht es mit dem Boot zurück über den Mekong. Der Fluß sorgt für relativen Wohlstand - erlaubt drei Reisernten pro Jahr. Das Sediment, das er aus China, Laos, Thailand und Kambodscha mitbringt, wird ausgebaggert und als besonders fruchtbare Erde nach Singapur verkauft.

Angeblich ist deshalb der Wasserspiegel schon um mehr als einen Meter gesunken. Was ich kaum glauben kann - so nahe am Meer. Zumindest schaut es trotz Ebbe nicht so aus.

Die Tagestouris fahren zurück nach Saigon. Und wir tiefer hinein in den Delta. Nach Can Tho, der größten Stadt im Delta. Unterwegs noch ein Stop. Neben ein paar Toiletten wieder Souveniers ohne Ende. Unmittelbar daneben Rush Hour an einer Fähre. 200 Motor-Bikes runter und 200 rauf. In nicht mehr als 2 Minuten. Und alles ziemlich geordnet.


Can Tho soll den größten "Floating Market" in Asien haben. Ich bin gespannt. Habe ja schon einige gesehen in Thailand. Um 7:20 früh werden wir im Hotel eingesammelt und zum Pier gebracht. Eine gute halbe Stunde stromabwärts verdichtet sich der Bootsverkehr zu einer Art Markt.

Die ersten Verkaufsboote machen an unserem Touri-Boot fest. Mit speziell vorbereiteten Enterhaken. "Hot coffee Sir, Ice-Tea, Banana"? Das Geschäft brummt. Massentourismus pur. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Natürlich gibt es auch die Boote, die Ananas, Wassermelonen, Gemüse oder Fleisch in großen Mengen vom Erzeuger zum Zwischenhändler auf dem Fluß bringen.


Aber irgendwie fehlt dem Ganzen das Flair, das ich erwartet habe.
Klar - wäre ich auf eigene Faust durchs Delta gereist, hätte ich vermutlich noch mehr ursprüngliches Vietnam gesehen. Aber so war es den Zeitaufwand eher nicht wert.

Auf der Rückfahrt ein Stop in einem kleinen Familienbetrieb, der täglich 50 Kilo Reisnudeln produziert. 70% Reismehl werden mit 30% Süßkartoffelmehl zu einem dünnen Brei vermischt und wie ein Pfannkuchen auf einer runden Pfanne leicht angebacken.

Das Teil lässt sich dann wie ein Kuchenteig mit einer Rolle abnehmen und zum Trocknen auf Bambusmatten ausbreiten.

Die harten Scheiben werden dann in einer Schneidemaschine in rund 2mm breite Nudeln geschnitten und verpackt.



Anschließlich schippern wir noch eine Reisfabrik an.

Erinnerungen an "Factory Automation" aus vorelektronischer Zeit.

Hätte ich den Laden alleine gefunden, wäre ich wahrscheinlich begeistert gewesen. So aber treten wir uns wechselseitig auf die Füße.

Nach einem ebenso kurzen wie mageren Lunch geht es im Bus zurück über die neue, von den Japanern gebaute Mekong-Brücke Richtung Saigon.

Auf halber Stecke nochmals Stop an einem Tempel. Vermutlich der letzte in Vietnam auf dieser Reise.



2. Februar. Noch ein Tag Zeit um mir Saigon anzusehen. Vom 16. Stock des Golden Central Saigon schaue ich den Einheimischen beim Tai Chi zu. Und beschließe, vor dem Frühstück ein paar Runden zu schwimmen. Entsprechend spät starte ich meine Sightseeing-Tour. Zuerst schaue ich mir den Reunification Palast an.

Das 3-stöckige Gebäude war bis Ende April 1975 Sitz der Regierung Südvietnams. Es beherbergt unzählige, teilweise recht prunkvoll ausgestattete Räume. In diesem wurden die Botschafter befreundeter Staaten empfangen.

In anderen dinierten die Frauen der Staatsgäste in vermutlich fröhlicher Runde - trotz des Krieges weiter nördlich. In einem weiteren mit vielen Landkarten und Telefonen ausgestatteten Raum fanden zahlreiche "fact finding meetings" mit den Amerikanern statt. Die einfach nicht verstehen konnten, warum es trotz massivem Militäreinsatz nicht vorwärts gehen wollte. Vom Dach des Palastes startete am 30. April 1975 der letzte Helikopter der Amis in Richtung Heimat. Warum ich keine Bilder habe? Weil ich die komplette, für diesen Blog gedachte Auswahl versehentlich von der Kamera gelöscht habe, bevor sie auf meinem iPad gespeichert waren.
Entsprechend dünn ist meine Auswahl von den weiteren Stationen. Der Notre Dame aus dem Park neben an.

Und die alte Hauptpost ganz aus der Nähe.

Der Besuch des Kriegsmuseums bringt den Vietnamkrieg ins Gedächtnis zurück. Erinnerungen an die Zeit meiner Studententage. Folterwerkzeuge. Fotos von Gefolterten. Eindrücke, die einen nur erschaudern lassen. Klar. Alles aus der Sicht der späteren Sieger. Trotzdem. Hier waren auch "die Guten" die Bösen. In einem Bericht an den amerikanischen Kongress im Jahr 1973 monierte Senator Edward Kennedy bereits die Beteiligung der US-Regierung an Rechtsbruch und Kriegsverbrechen. Er befürchtete, dass sich die Regierung einmal vor dem Volk werde verantworten müssen. Genutzt hat es wenig. Guantanamo lässt grüßen. Ein eher deprimierendes Erlebnis zum Ende meiner Reise.
Zumindest in Saigon sind die Wunden des Krieges verheilt. Eine moderne Großstadt. Keine Spur von "dritter Welt".

Ein letzter Blick auf das nächtliche Saigon von der Dachterrasse meines Hotels.

Mein Monat in Vietnam ist zu Ende. Alles in allem ein schöner Urlaub. Auch wenn ich nicht immer Glück hatte mit dem Wetter...

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