Mittwoch, 21. Januar 2015
Über Da Nang nach Hoi An und My Son
"Ich bin unterwegs nach Süden und will weiter bis ans Meer..." hatte Hannes Wader in den frühen 70ern gesungen. Und mir damit Träume von Sonne, Sand und Meer in den Kopf gezaubert. Nach knapp zwei Wochen Vietnam, in denen Regenjacke und Pullover ständige Begleiter waren, habe ich ähnliche Träume. Heute geht's über den Wolkenpass nach Da Nang, Hoi An und MySon.
Trotz seiner nur knapp 1500m hohen Gipfel ist das Bach Ma Gebirge eine Wetterscheide. Das macht Hoffnung. Ursprünglich wollte ich noch eine Trekking-Tour im Bach Ma Nationalpark einschieben. Aber wie gesagt: Ich hab' genug von Regen, Kälte und "Drecking"...!

Bald lassen wir die ersten Hügel hinter uns und machen einen Abstecher zur Lang Co Lagune. Menschenleere Strände. Hotels ohne Gäste. Winter eben.

Dann geht es in Serpentinen nach oben. Ich zweifle, ob das wirklich der "Wolkenpass" ist. Kaum zu glauben - Sonnenschein und Frühlingstemperaturen!

Und freie Sicht auf die 30km lange "China Beach" von Da Nang. Auf jenen Strand, den die Ami's Ende der 60er zur Landung massiver Truppenverbände nutzten. Quasi die Normandie Vietnam's.

Reizvoll finde ich weder den Strand noch die riesige Bucht. Aber immerhin bin ich "im Süden" und ich bin am Meer.

Der Besuch des Cham-Museums gehört für Da Nang-Besucher zum Pflichtprogramm.

In dem Gebäude, das die Franzosen nach dem 1. Weltkrieg erbauten, sind mehr als 400 Skulpturen der Cham-Kultur zu sehen, deren Könige den Süden Vietnam's 1000 Jahre lang beherrscht haben. Bevor sich das Volk Ende des 15. Jahrhunderts vermutlich freiwillig wieder nach Java zurückzog, wo es seine Wurzeln hatte. Und seine Tempel und Heiligtümer dem Dschungel überlies.

Ich nehme mir Zeit. Bewundere gleich hinter dem Eingang einen schönen Altar mit Streitwagen auf allen vier Seiten. Auf dem Altar wurde für Shiva geopfert - dem Gott der Erneuerung, Erhaltung und Zerstörung. Unglaublich, wie vielen Göttern damals gehuldigt wurde. Reihenweise tauchen Namen aus der indischen Mythologie auf. Buddhismus und Hinduismus quasi unter einem Dach. Viele der Götter waren weiblich. Ein Vorbild in Sachen Gleichberechtigung. Ganz ohne Quote. Wenn das Andrea Nahles wüsste...!



Besonders beeindruckend die große Buddha-Statue. Jedes einzelne Detail seines Umfelds kunstvoll in Stein gemeißelt. Angeblich die einzige Darstellung sitzend auf einem Stuhl. Weltweit. Vermutlich ist auch er älter geworden und hat das mit dem Schneidersitz nicht mehr so hingekriegt.


Mein Weg nach Hoi An führt über die Dragon-Bridge weiter zu den "Marble Mountains".


Von diesen vier Hügeln stammt aller Marmor, der in Vietnam verbaut wird. Weißer Staub überall in der Luft. Und unzählige Shops am Straßenrand. Skulpturen in allen Größen. Allesamt zu schwer für meinen Rucksack.
Zunächst zieht es mich in die Ngu Han Son Höhle.

Innen so hoch wie eine Kathedrale. Sehr verwinkelt - mit "Lichtschacht" nach oben.


Draußen führt eine Treppe nach oben auf den größten der Marmor-Berge.

Auf einem Rundweg geht es zu Tempeln, Pagoden und weiteren Höhlen.



Einige der Höhlen haben Altäre und kleine Tempel. Übervölkert mit Göttern, Dämonen, Drachen und anderen Wesen, vor denen man sich im Dunkeln fürchtet. Und alle wollen mit Opfergaben besänftigt werden.


Für heute bin ich genug geklettert. Ich nehme den Lift nach unten und suche meinen Fahrer. Der steht natürlich noch am Aufgang - ein paar hundert Meter entfernt...

Am Abend zeigt sich Hoi An in seiner ganzen Schönheit. Überall Lampions, viele kleine Restaurants und schicke Shops. Pulsierendes Leben auf beiden Seiten des Flusses.


Ich lasse mich nieder. Sehe Mond und Sterne. Und freue mich auf die nächsten Tage. Endlich Sonne!

Um 6 Uhr früh werde ich wach. Heftiger Regen prasselt auf die Blätter der Bananenstauden am Pool vor meinem Zimmer. Ich drehe mich um und ziehe die Decke über die Ohren. Und friere. Denn hier im "Süden" haben die Klimaanlagen keinen Heizmodus mehr. Und seit Tage kämpfe ich schon gegen eine Erkältung.
Ich bleibe im Bett. Das Internet funktioniert gut. Am frühen Nachmittag bin ich ausführlich über alle Geschehnisse in der Welt informiert.
Ich schnappe meinen Schirm und nehme das Boot zum alten Markt.

Will von dort weiter durch die Altstadt zur Japanischen Brücke. Einem der Wahrzeichen des alten Städtchens. So ganz nutzlos will ich den Tag halt nicht verstreichen lassen. Trotz der dunklen Wolken. Kaum angekommen, fängt es wieder an zu schütten. Ich flüchte in ein kleines Café. Erwische den letzten Tisch. Verliebe mich in einen Cherry Cheesecake. Mit einer großen Blume aus weißer Schokolade. Hätte nicht gedacht, dass das der Höhepunkt des Tages werden würde.

Aus sicherem "Hinterhalt" schaue ich mir die nassen Leute auf der Straße an.

Eine Stunde Dauerregen später nutze ich die erste Pause zur Flucht.

Lasse Brücke Brücke sein.

Auf den letzten 300 Metern zum Hotel werde ich richtig nass. So nass, dass ich alle Klamotten vom Laundry-Service abholen lasse. Gewaschen sind sie schon. Müssen nur noch getrocknet werden. Fehlstart in Hoi An. Und der Forecast für morgen ist noch schlechter. Werde verlängern müssen, wenn ich das Städtchen sehen will...!

Montag, 19. Januar. Zwei Tage später. Gestern war zum vergessen. Vor dem Frühstück lachte die Sonne. Als ich endlich den Fahrradsattel unterm Hintern hatte, öffneten sich alle Schleusen am Himmel. Hätte ich Blätter wie Lotuspflanzen, wäre der Regen an mir abgeperlt.

Aber so blieb nur Frust. Heiße Dusche. Zurück ins Bett. Peter Scholl-Latour's "Welt aus den Fugen" geschmökert. Irgendwie passte das Thema auch zum Wetter.

Heute neue Hoffnung. Zumindest kein Regen. Sogar ein paar Sonnenstrahlen dringen durch die Wolken. Ich schwinge mich auf's Bike und fahre durch's Städtchen.

Im 16. bis 18. Jahrhundert gehörte Hoi An mit Macau und Malacca zu den führenden Häfen in Südostasien. Mit seinen alten Häusern wirkt es heute wie ein Gesamtkunstwerk aus vergangener Zeit. Selten habe ich so viele schöne Shops und Restaurants auf so engem Raum gesehen.

Vorbei an der alten Japanischen Brücke. Sie führt über einen Seitenarm des Thu-Bon Flusses und stammt aus dem Jahre 1593.

Weiter zum Fujian Tempel - einem von mehreren chinesischen Tempeln.



Mit etwas Sonne schaut alles gleich viel hübscher aus. Offenbar ist Hoi An auch für Hochzeitspaare ein beliebtes Ziel. Noch strampelt sich der stolze Gatte mächtig für seine Auserwählte ab.

Ich verlasse das Städtchen und radle weiter Richtung Strand. Unterwegs Eindrücke vom normalen Leben. Fischer, die vom Boot aus "Fische ärgern". Der Sinn der peitschenden Stockschläge bleibt mir verborgen.

Andere Fischer holen schön brav ihr Netz ein. Während für einige größere Fische das Ende naht, bekommen unzählige kleine Fischchen eine 2. Chance.

Dann locken mich Trommeln zurück zur Straße. Erst vermute ich eine Prozession. Dann entdecke ich in der Sänfte, die auf Schultern getragen wird, einen Sarg. Offenbar ein wichtiger Mensch, der auf seinen letzten Weg geleitet wird. Auf dem Sargdeckel Gläser und Schälchen mit allem, was im Jenseits gebraucht werden könnte. Aufgeregt sorgt ein Schamane dafür, dass alles seinen rechten Gang geht.

Endlich erreiche ich den Strand. Die Brandung der letzten Tage hat ihn ziemlich unterspült. Versteckt in den Dünen Bambus-Bungalows im Backpacker-Stil. Ich bin am Meer. Die Sonne scheint und ich genieße die Ruhe.


Dienstag, 20. Januar. Für heute habe ich eine Gruppen-Tour nach My Son gebucht - einem UNESCO Weltkulturerbe. Wollte einfach mal wieder ausprobieren, wie das ist, wenn man im Rudel auftritt. Schon im Bus erklärt uns der Guide zur "Tiger-Group". Von nun an höre ich ständig seinen Befehlston "Tiger look right" oder "Tiger now make photo please".

Es ist kaum möglich, einen "Schuss" mit halbwegs freier Sicht zu bekommen. Die "Tigergroup" zählt über 30 Mann. Und sie ist nicht alleine hier. Im Stoßbetrieb geht's von einer Ruine zur anderen.



Der rund vier Quadratkilometer große Komplex wurde zwischen dem 7. und 13. Jahrhundert von den aus Java stammenden Cham-People zu Ehren ihrer Götter erbaut. Hinduismus und Buddhismus im friedlichen Miteinander der Religionen. Leider blieb es nicht immer friedlich. Denn Ende der 60er Jahre hat sich der Vietcong hier versteckt. Zumindest haben die Ami's das vermutet. Und dann immer wieder ihre B52-Bomber über My Son entladen. Zweck heiligt die Mittel. Und wenn man selbst nur 200 Jahre Geschichte hat, fehlt das Verständnis für alte Gemäuer. So ist nicht all zu viel übrig geblieben von der Anlage, die französische Archäologen um 1880 zufällig während eines Jagdausflugs im Dschungel entdeckten. Dafür quaken in den zahlreichen Bombenkratern heute die Frösche.

Aber auch die Franzosen waren nicht zimperlich. Obwohl Archäologen von Beruf und nicht Jäger, hatten sie kaum Skrupel, die zahlreichen Statuen zu enthaupten und die Köpfe nach Paris ins Louvre zu stellen.

Schade. My Son könnte sonst fast in einem Atemzug mit Bagan in Myanmar oder Ankor in Kambodscha genannte werden.


Am Nachmittag fährt die Tiger-Group mit dem Boot zurück. Mit Stop in einem Dorf an der Tra Que Lagune. Hier werden Schnitzereien mit Perlmutt-Intarsien hergestellt. Viel Arbeit. Schön anzusehen. Aber nichts für zu Hause...!

Am Spätnachmittags kommt der Hafen von Hoi An in Sicht.

Noch einmal Mal schlendere ich durch die alten Gassen.

Zur Lampionbrücke.

Von dort ein letzter Blick auf die Altstadt. Hoi An war eine Reise wert.

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